Passion Oratorio BWV Anh 169
Erbauliche Gedanken auf den Grünen Donnerstag und Charfreitag über den Leidenden Jesum
German Text |
Title: Erbauliche Gedanken auf den Grünen Donnerstag und Charfreitag über den Leidenden Jesum (Passionsoratorium)
Reference: BWV App C, S. 718; BWV Anh. III 169; BWV Anh. 169
Author: Christian Friedrich Henrici (Picander) (1725) |
Original German Text |
1. Zion, Chor. Aria |
SAmmlet euch, getreue Seelen,
Die ihr JEsum werth geacht.
Drücket ihm vor seinem Ende,
Noch die Hände,
Nehmt die letzte gute Nacht.
Sammlet euch, getreue Seelen,
Die ihr JEsum werth geacht. |
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2. Evangelist |
Am Abend, der vor Ostern war,
Aß Jesus nebst der Jünger=Schaar
Das Oster=Mahl;
Und weil die Stunde seiner Quaal
Und seines Leidens nicht mehr weit,
So setzt er, unter Brod und Wein,
zum Zeichen seiner Gütigkeit,
Sein Fleisch und Blut
Im Testament den Jüngern ein. |
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3. Johannes. Aria |
Ach! wie meynt es JEsus gut!
Daß ich soll an ihn gedencken,
Will er mir ein Kleinod schencken,
Und das ist sein eigen Blut.
Ach! wie meynt es JEsus gut. |
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4. Evangelist |
Und nach gesprochnen Lob=Gesang,
War JEsus erster Gang
Zum Oel=Berg in den Garten,
Um seine Bande zu erwarten. |
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5. Soliloquium der Seele |
Schau hier, mein Hertz,
Wie JEsus seine Hände ringt,
Das Hertze kocht, die Zunge trocknet ein;
Das Auge sieht, wo Helffer seyn;
Die Seele will ersticken;
Die Sünden=Last der gantzen Welt
Liegt ietzt auf seinen Rücken:
Ja! sieh mein Hertz,
Wie ihm der Schweiß herunterwerts
Durch seine Schläfe dringt,
Und blutend auf die Erde fällt. |
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6. Aria |
Rolle doch nicht auf die Erde,
Süsser und doch Schmertzens=Thau!
Halt doch ein,
Hier soll ietzt mein Hertze seyn,
Sencke dich doch da hinein,
Daß mein Glaubens Acker=Bau,
Zu dem Himmel fruchtbar werde.
Rolle doch nicht auf die Erde,
Süsser und doch Schmertzens=Thau! |
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7. Evangelist |
Und endlich kam die Mörder=Schaar
Mit Spießen und mit Stangen,
Und Judas, der ihr Führer war,
Gab JEsum, nach megachten Schluß,
Der Feinde Raserey gefangen.
Da wolt es Petrus wagen,
Mit seinem Schwerdte drein zu schlagen. |
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8. Petrus. Aria |
Verdammter Verräther, wo hast du dein Hertze?
Haben es Löwen und Tyger verwahrt!
Ich will es zerfleischen, ich will es zerhauen,
Daß Ottern und Nattern die Stücken zerkauen,
Denn du bist von verfluchter Art.
Verdammter Verräther, wo hast du dein Hertze?
Haben es Löwen und Tyger verwahrt. |
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9. Evangelist |
Doch JEsus gieng gelassen fort,
Und kam zum Hohenpriester Caipha. |
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10. Soliloquium der Seele |
Philister!
Philister über dir!
So steht die Unschuld da,
Die Boßheit soll ihr Richter seyn,
Die Nacht verklagt den Sonnenschein,
Und niemand ist der ihn vertritt.
Die Jünger sind von dir geflogen,
Der eine hier,
Der andre dort:
Ich aber komme nachgezogen,
Ach nimm mich doch, mein Heyland,mit. |
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11. Choral |
Ich will hier bey dir stehen,
Verachte mich doch nicht.
Von dir will ich nicht gehen,
Wenn dir dein Hertze bricht;
Wenn dein Haupt wird erblassen,
Im letzten Todes=Stoß,
Alsdenn will ich dich fassen,
In meinen Arm und Schooß. |
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12. Evangelist |
Zwar Petrus blieb von weiten,
Und da ihm eine Magd,
Daß er des Heylands Jünger sey,
Ins Angesicht gesagt,
So wolt er dennoch sonder Scheu
Ihr solches wiederstreiten.
Da krähete der Hahn,
Und JEsus sahe Petrum an,
Da gieng er wiederum in sich. |
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13. Petrus. Aria |
I.
Ihr seht mich an, ihr starren Augen,
Ihr Sonnen meiner Seeligkeit,
Da euer Abend nicht mehr weit.
Und dieses nicht von ungefehr,
Denn mein Gesicht ist euch ein Meer,
Aus diesem wollt ihr Wasser saugen,
Ach ja!
Mein Thränen=Regen ist schon da.
Ihr seht mich an, ihr starren Augen,
Ihr Sonnen meiner Seeligkeit,
Da euer Abend nicht mehr weit. |
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14. Evangelist |
Und weinte bitterlich. |
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15. Petrus. Aria |
2.
Ich stehe dich um meiner Zähren,
Verschliesse doch dein Angesicht
Vor mir an jenem Tage nicht !
Nimm mich bekannt und freundlich an,
Und laß nicht, wie ich dir gethan,
Den Rücken zu mir kehren.
Ach nein!
Mein Hertz soll nicht mehr wanckend seyn.
Ich flehe dich um meiner Zähren,
Verschliesse doch dein Angesicht,
Vor mir an jenem Tage nicht! |
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16. Evangelist |
Der Heyland wird verklagt;
Und ob die Lügen=Zunge gleich
Ein falsches Zeugniß sagt,
Muß doch Pilatus selber sprechen:
Er find an ihm kein straffbares Verbrechen. |
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17. JEsus. Aria |
Aus Liebe will ich alles dulden,
Aus Liebe sterb ich vor die Welt.
Aus Lieben und nicht aus Verschulden,
Bin ich der Sünder Löse=Geld.
Aus Liebe will ich alles dulden,
Aus Liebe sterb ich vor die Welt. |
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18. Evangelist |
Doch diesem ungeacht
Ward doch der Heyland andebunden,
Und ihm mit Geisseln tausend Wunden
In seinen Leib gemacht,
Und noch zu letzt,
Dem Haupte Dornen aufgesetzt. |
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19. Zion. Aria |
Kommt heraus, und geht vorüber,
Seht, ihr Töchter, wie mein Lieber
So erbärmlich Zugericht!
Ach ihr Augen ! ach ihr Wangen,
Wie ist eure Pracht vergangen,
Seyd ihrs? oder seyd ihrs nicht?
Kommt heraus, und geht vorüber,
Seht, ihr Töchter, wie mein Lieber
So erbärmlich Zugericht! |
Wie sieht dein Haar,
Das wie die Wolle lockicht war,
zerrauffet und zerissen?
Wie ist dein Angesicht,
Das schöner als der Sonnen=Licht,
Durchgraben, und zerschmissen?
Wie schändlich hat dich nicht
Des Speichels Unflath Zugericht? |
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20. Arioso |
Jedoch der Eiter deiner Beulen,
Soll meiner Kinder Wunden heilen. |
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21. Evangelist |
Doch dieses nicht genung.
Nunmehr verdammt man ihr zur Creutzigung.
Er muste selbst sein schweres Creutz
Bey Stossen, und bey harten Schlagen,
Zur Schädelstädte tragen.
Die Weiber folgten nach,
Wiewohl sie in den Thränen=Güssen,
Nicht gehen, sondern schwimmen müssen,
Zu welchen JEsus sprach : |
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22. JEsus. Aria |
Brechet mir doch nicht das Hertz,
Welches selbst vor Leiden bricht;
Liebste Seelen, weinet nicht!
Euer Jammer mehrt den Schmertz:
Brechet mir doch nicht das Hertz,
Welches selbst vor Leiden bricht. |
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23. Maria, Soliloquium |
Brechet mir doch nicht das Hertz.
Ach du geplagtes Hertz!
Das in dem Blute schwimmt,
Und wie ein Wurm sich windt und krümmt,
Verwehre mir doch nicht,
Daß mir
Mein JEsu, auch mir dir
Das Hertz vor Wehmuth bricht. |
Brechet mir doch nicht das Hertz,
Welches selbst vor Leiden bricht! |
Ach Sohn, wie beugst du mich!
Der Jammer raubt mir den Verstand,
Und meine Seel ist ausser sich,
Liebste Seelen!
Ja wohl ist dir bekannt,
Wie offt ich dich
Vor dem aus reiner Liebe küste,
Da du die Milch der treuen Brüste,
Als noch ein zartes Kind gesogen,
Und so, ach! so, bin ich dir noch gewogen. |
Liebste Seelen weinet nicht! |
Ach!
Weinet nicht!
Wie kanst du das von mir begehren?
Ich will vor dich mit Lust
Und Lachen zwar erblassen,
Doch da du selber sterben must,
Kan ich die Zähren
Unmöglich unterlassen. |
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24. Choral |
Wein, ach ! wein, itzt um die Wette,
Meiner beyden Augen Bach.
Ach! daß ich gnug Zähren hätte,
Zu bedauren deine Schmach!
O! daß aus den Thränen=Brunnen,
Käm ein starcker Strohm gerunnen! |
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25. Evangelist |
Und als die Schaar
Zur Schädelstädte kommen war,
Ward JEsus an das Creutz gehefftet,
Und weil er gantz entkräfftet,
So gab man ihm vergällten Wein
Zu trincken ein. |
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26. Die Seele. Aria |
Nimm es nicht, mein ander Leben,
Was sie dir zu trincken geben
Ist ein saurer bittrer Wein;
Aber hier aus meinen Augen
Kanst du süsse Thränen saugen,
Weil sie aus Lieb und treu geflossen seyn.
Nimm es nicht, mein ander Leben,
Was sie dir zu trincken geben
Ist ein saurer bittrer Wein. |
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27. Evangelist |
Und um die neundte Stunde,
Rief unser Heyl mit lauten Munde:
Es ist vollbracht!
Da gab der Geist dem Leibe gute Nacht. |
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28. Soliloquium der Seelen |
So hat mein JEsus nun die Augen zugethan,
Mein Hertz, so lege du die Trauer an. |
Erinnre dich zu allen Stunden,
Des Heylands Wunden;
Und wenn du einst verscheiden must,
So stirb geruhig und mit Lust!
Die Schulden, so dir angeschrieben,
Hat JEsus alle gut gemacht;
Auch nicht das allermindeste
Ist er noch schuldig blieben,
Er sagt es selbst: Es ist vollbracht! |
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29. Aria |
Es ist vollbracht!
Nun kan ich sterben,
Das Grab ist mir ein Ruhe=Hauß,
Komm sanffter Tod, und spann mich aus!
Welt, gute Nacht!
Nun kan ich sterben,
Es ist vollbracht! |
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29. Evangelist |
Zur Abends Zeit
Bath Joseph um die starre Leiche;
Die nahm er ab,
Und hüllte sie, auf Jüdische Gebäuche,
In reine Leinwand ein,
Und legte sie darauf in sein selbst eigen Grab,
Und weltze vor die Grufft noch einen Stein. |
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30. Chor der Gläubigen Seelen: Aria |
Wir setzen und bey deinem Grabe nieder,
Und ruffen dir im Tode zu:
Rufe sanffte, sanffte ruh!
Erquicket euch, ihr ausgesognen Glieder,
Verschlafet die erlittne Muth;
Ruhet sanffte, sanffte ruht!
Unsre Thränen,
Werden sich stets nach dir sehnen;
Endlich soll dein Leichen Stein
Unser weiches Bette seyn,
Recht vergnügt schlummern wir auf solchem ein. |
Contributed by Filip Adam Zieliński (July 2009) |