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Barthold He(i)nrich Brockes: sogenannte
Brockes-Passion
Der
Für die Sünde der Welt,
Gemarterte und Sterbende
JESUS,
Aus
den IV. Evangelisten
In gebundener Rede vorgestellet,
Und In der stillen Woche in des
Herrn Verfassers Behausung musi-
calisch aufgeführet,
Im Jahr 1712. |
Libretto der Uraufführung von Keisers Vertonung im Hause des Dichters im Jahre 1712,
nachgedruckt in einem Sammelband mit Werken von Brockes, herausgegeben von Johann Ulrich König (1715).
The original Libretto from 1712 written for Reinhard Keiser. Published Hamburg, 1715 in a collection with poetry by Barthold Heinrich Brockes. |
Chor Gläubiger Seelen.
ARIA. 1.
MIch vom Stricke meiner Sünden
Zu entbinden,
Wird mein GOtt gebunden;
Von der Laster Eyter= Beulen
Mich zu heilen,
Läst Er sich verwunden. |
2.
Es muß, meiner Sünden Flecken
zu bedecken,
Eignes Blut Ihn färben;
Ja, es will, ein ewig Leben
Mir zu geben;
Selbst das Leben sterben. |
Evangelist.
Als JEsus nun zu Tische sasse,
Und Er das Oster=Lamm, das Bild von Seinem Tod,
Mit Seinen Jüngern asse,
Nahm Er das Brodt,
Und wie Er es, dem Höchsten danckend, brach,
Gab Er es ihnen hin, und sprach: |
Accompagnement.
JEsus.
Das ist mein Leib, kommt, nehmet, esset,
damit Ihr Meiner nicht vergesset. |
Aria. 1.
Tochter Zion.
DEr GOtt, dem alle Himmels=Kreise,
Dem aller Raum zum Raum zu klein,
Kehrt hier, auf unerforschte Weise,
Durch´s Brodt in Mund und Hertzen ein, |
(spätere Fassung:
Ist hier, auf unerforschte Weise,
In, mit und unter Brodt und Wein,) |
Und will der Sünder Seelen=Speise,
O Lieb! O Gnad! O Wunder! seyn. |
Evangelist.
Und bald hernach,
Nahm er den Kelch, und danckte, gab ihn ihnen, und sprach: |
Accompagnement.
JEsus.
Dieß ist mein Blut im Neuen Testament,
Das Ich für Euch und viele will vergiessen,
Es wird dem, der es wird geniessen,
Zu Tilgung seiner Sünden dienen.
Damit ihr dieses offt erkennt,
Will Ich, daß jeder sich mit diesem Blute träncke,
Auf daß er meiner stets gedencke. |
2.
(Tochter Zion.)
GOtt selbst, die Brunquell alles Guten,
Ein unerschöpflich Gnaden=Meer,
Fängt für die Sünder an zu bluten,
Biß Er von allem Blute leer,
Und reicht aus diesen Gnaden=Fluhten,
Uns selbst Sein Blut zu trincken her. |
Evangelist.
Drauf sagten sie dem Höchsten Danck,
Und nach gesprochnem Lob=Gesang,
Ging JEsus über Kidrons Bach,
Zum Oelberg, da er denn zu Seinen Jüngern sprach: |
(JEsus.)
Ihr werdet all' in dieser Nacht
Euch an mir ärgern, ja mich gar verlassen. |
Chor der Jünger.
Wir alle wollen eh' erblassen,
Als durch solch' Untreu dich betrüben. |
JEsus
Es ist gewiß, denn also steht geschrieben: |
Accompagnement.
Weil ich den Hirten schlagen werde,
Zerstreuet sich die gantze Heerde. |
Petrus.
Aufs wenigste will Ich, trotz allen Unglücks=Fällen;
Ja, solte durch die Macht der Höllen
Die gantze Welt zu trümmern gehn,
Dir stets zur Seiten stehn. |
JEsus.
Dir sag Ich: ehe noch der Hahn wird zweymahl krähn,
Wirst du schon dreimahl mich verläugnet haben. |
Petrus.
Eh soll man mich mit dir erwürgen und begraben,
Ja zehnmahl will ich eh erblassen,
Eh ich dich will verläugnen und verlassen. |
JEsus.
Verziehet hier, Ich will zu meinem Vater treten;
Schlafft aber nicht, denn es ist Zeit zu beten. |
SOLILOQVIO.
Aria 1.
JEsus.
Mein Vater! Schau, wie ich mich quäle,
Erbarme dich ob meiner Noht!
Mein Hertze bricht, und meine Seele
Betrübet sich biß an den Todt. |
Mich drückt der Sünden Centner=Last,
Mich ängstiget des Abgrunds Schrecken,
Mich will ein schlammiger Morast,
Der Grund=loß ist, bedecken,
Mir preßt der Höllen wilde Glut,
Aus Bein und Adern, Marck und Blut;
Und weil ich noch zu allen Plagen
Muß deinen Grimm, o Vater, tragen,
Vor welchem alle Marter leicht,
So ist kein Schmertz, der meinem gleicht. |
2.
Ists möglich daß Dein Zorn sich stille,
So laß den Kelch vorüber gehn!
Doch müsse, Vater, nicht mein Wille,
Dein Wille nur allein geschehn. |
Arioso.
Tochter Zion.
Sünder, schaut mit Furcht und Zagen
Eurer Sünden Scheusahl an,
Da derselben Straff und Plagen
GOttes Sohn kaum tragen kan!
|
Evangelist.
Die Pein vermehrte sich mit grausamen erschüttern,
So, daß Er kaum vor Schmertzen röcheln kunt:
Man sah die schwache Glieder zittern,
Kaum athmete Sein trockner Mund,
Das bange Hertz fing an so starck zu klopffen,
Daß blutger Schweiß, in ungezehlten Tropffen,
Aus allen Adern drang,
Biß er zuletzt biß auf den Tod gequält,
Voll Angst, zermartert, halb entseelt,
Gar mit dem Tode rang. |
Aria.
Tochter Zion.
BRich mein Hertz, zerfließ in Thränen,
JEsus Leib zerfliesst in Blut.
Hör sein jämmerliches Aechzen,
Schau, wie Zung und Lippen lächzen,
Hör Sein Wimmern, Seufftzen, Sehnen,
Schau, wie ängstiglich Er thut.
Brich mein Hertz etc. |
Evangelist
Ein Engel aber kam von den gestirnten Bühnen,
In diesem Jammer Ihm zu dienen,
Und stärcket ihn, drauf ging er, wo die Schaar
Der müden Jünger war,
Und fand sie insgesamt in sanffter Ruh,
Drum rieff Er ihnen ängstlich zu: |
Ariosò.
JEsus. Erwachet doch!
Petr(us). Wer rufft?
Joh(annes). Ja HErr.
Jac(obus). Ja, Ja.
JEsus. Erwacht!
Könnt ihr in dieser Schrecken=Nacht,
Da ich sinck in des Todes Rachen,
Nicht eine Stunde mit mir wachen?
Ermuntert euch!
Petr., Joh., Jac. Ja, ja.
JEsus.
Ach steht doch auf, der mich verräht, ist da. |
Evangelist
Und eh die Rede noch geendigt war,
Kam Judas schon hinein,
Und mit ihm eine grosse Schaar,
Mit Schwerdtern und mit Stangen. |
Chor der Kriegs=Kn(echte).
Greifft zu, schlagt todt, doch Nein,
Ihr müsset ihn lebendig fangen. |
Evangelist.
Und der Verrähter hatte dieses ihnen
Zum Zeichen lassen dienen: |
Judas.
Daß ihr, wer JEsus sey, recht möget wissen,
Wil ich ihn küssen,
Und dann dringt auf ihn zu, mit hellem Hauffen. |
Chor der Kn(echte).
Er soll uns nicht entlauffen. |
Judas.
Nimm, Rabbi, diesen Kuß von mir. |
JEsus.
Mein Freund! Sag, warum kommst du hier? |
Aria.
Petrus.
GIfft und Gluht,
Strahl und Fluht
Ersticke, verbrenne, zerschmettre, versencke
Den falschen Verrähter, voll mördrischer Rencke!
Man fesselt JESUM jämmerlich,
Und keine Wetter regen sich?
Auf dann, mein unverzagter Muht,
Vergieß das frevelhaffte Blut,
Weil es nicht thut
Gifft und Gluht,
Strahl und Fluht. |
(Evangelist.
Drauff zog Er gleich sein Schwerdt hervor
Und hieb das rechte Ohr
Dem Knecht des Hohen=Priesters ab.) |
JEsus zu Petro.
Steck nur das Schwerdt an seinen Ort,
Denn wer das Schwerdt ergreifft, wird durch das Schwerdt erkalten.
Wie? oder gläubst du nicht, daß ich sofort,
Von meinem Vater in der Höhe
Der Engel Hülffe könn' erhalten(?)
Allein, es will die Schrifft, daß es also geschehe. |
Zu den Kriegs=Knechten.
Ihr kommt mit Schwerdtern und mit Stangen,
Als einen Mörder mich zu fangen,
Da ihr doch, wie ich euch gelehrt,
Im Tempel täglich angehört,
Und keiner hat sich je gelüsten lassen,
Mich anzufassen;
Allein es muß nunmehr geschehn,
Was die Propheten längst vorher gesehn. |
Chor der Jünger.
O Weh! sie binden Ihn
Mit Strick und Ketten!
Auf last uns fliehn
Und unser Leben retten! |
SOLILOQVIO.
Petrus.
WO flieht ihr hin? Verzagte! bleibt, doch ach!
Sie sind schon fort, was fang ich an?
Folg' ich den andern nach,
Weil ich allein Ihm doch nicht helffen kan?
Nein, Nein! mein Hertz, Nein, Nein!
Ich laß Ihn nicht allein,
Und sollt ich auch mein Leben gleich verlieren,
Will ich doch sehn, wohin sie JEsum führen. |
Aria.
NEhmt Mich mit, verzagte Schaaren,
Hier ist Petrus ohne Schwerdt:
Last, was JEsu wiederfährt,
Mir auch wiederfahren.
Nehmt Mich mit etc. |
Evangelist.
Und JEsus ward zum Pallast Caiphas,
Woselbst der Priester=Rath versammelt saß,
Mehr hingerissen, als geführet;
Und Petrus, bald von Grimm und bald von Furcht gerühret,
Folgt Ihm von ferne nach;
Indessen war der Raht, doch nur umsonst, geflissen,
Durch falsche Zeugen Ihn zu fangen,
Derhalben Caiphas also zu JEsus sprach: |
Caiphas.
Wir wollen hier von dem, was du begangen,
Und deiner Lehre Nachricht wissen. |
JEsus.
Was ich gelehrt, ist öffentlich geschehn,
Und darff ich es ja dir nicht hier erst sagen,
Du kanst nur di, so mich gehöret, fragen, |
Kriegs=Knecht.
Du Ketzer wilst dich unterstehn,
Zum Hohen=Priester so zu sprechen?
Wart, dieser Schlag soll deinen Frevel rächen. |
Aria.
Tochter Zion.
WAs Bähren=Tatzen, Löwen=Klauen,
Trotz ihrer Wuht, sich nicht getrauen,
Thustu verruchte Menschen= Hand.
Was Wunder, daß, in höchster Eile,
Der wilden Wetter Blitz und Keile,
Dich Teuffels Werck=Zeug, nicht verbrannt!
Was Bähren etc. |
Evangelist.
Dies sahe Petrus an, der draussen bey dem Feuer
Sich heimlich hingesetzt, indem kam eine Magd,
Die gleich, so bald sie Ihn erblickte, sagt: |
Magd.
Ich schwüre hoch und theuer,
Daß dieser auch von JEsus Schaar. Petrus: Wer? ich?
Nein wahrlich nein, du irrest dich. |
Evangelist.
Nicht lang hernach fing noch ein' ander' an: |
2. Magd.
So viel ich mich erinnern kan,
Bist du mit dem, der hier gefangen,
Viel umgegangen;
Drum wundr' ich mich, daß du dich hier her wagest. |
Petrus.
Welch toll Geschwätz? ich weiß nicht was du sagest,
Ich kenne warlich seiner nicht. |
Evangelist.
Gleich drauf sagt Ihm ein' ander' ins Gesicht: |
3. Magd.
Du bist fürwahr von seinen Leuten,
Und suchst umsonst dich weiß zu brennen,
Im Garten warst du Ihm zur Seiten,
Auch gibts die Sprache zu erkennen. |
Arioso.
Petrus.
Ich wil versincken und vergehn!
Mich stürtz des Wetters Blitz und Strahl!
Wo ich auch nur ein eintzigmahl,
Hier diesen Menschen sonst gesehn! |
Evangelist.
Drauf krähete der Hahn;
So bald der heis're Klang,
Durch Petrus Ohren drang,
Zersprang sein Felsen=Hertz, und alsbald lieff,
(Wie Moses Felß dort Wasser gab)
Ein Thränen=Bach von seinen Wangen ab,
Wobey er Trost=loß rieff: |
SOLILOQVIO.
Petrus.
WElch ungeheurer Schmertz bestürmet mein Gemüht!
Ein kalter Schauder schreckt die Seele,
Die wilde Gluht der dunckeln Marter=Höhle
Entzündet schon mein zischendes Geblüht,
Mein Eingeweide kreischt auf glimmen Kohlen!
Wer leschet diesen Brand? Wo soll ich Rettung hohlen? |
ARIA.
HEul du Schaum der Menschen=Kinder!
Winsle wilder Sünden=Knecht!
Thränen=Wasser ist zu schlecht,
Weine Blut, verstockter Sünder! |
Doch wie? Will ich verzweifelnd untergehn?
Nein, mein beklemmtes Hertz, mein schüchternes Gemühte
Soll meines JEsus Wunder=Güte
Um Gnad anflehn. |
ARIA.
SChau, ich fall in strenger Busse,
Sünden=Büsser, Dir zu Fusse,
Laß mir deine Gnad erscheinen!
Daß der Fürst der duncklen Nacht,
Der, da ich gefehlt, gelacht;
Mög' ob meinen Thränen weinen. |
Choral der Christl(ichen) Kirche.
ACh GOtt und HErr! v. 1. 2. |
Evangelist.
Als JEsus nun, wie hart man ihn verklagte,
Doch nichts zu allem sagte,
Da fuhr ihn Caiphas mit diesen Worten an: |
Caiphas.
Weil man nichts aus dir bringen kan,
Und du nur, auf die Aussag aller Zeugen,
Antwortest mit verstocktem Schweigen;
Beschwehr ich dich bey GOtt, uns zugestehn,
Ob du seist Christus GOttes Sohn? |
JEsus.
Ich bins, von nun an werdet ihr,
Zur rechten Hand der Krafft und auf der Wolcken Thron
Mich kommen sehn. |
Caiphas.
O Lästerer! was dürffen wir
Nun weiter Zeugniß führen?
Ihr könntes itzo selber spühren,
Wes Er sich hat erkühnt,
Was düncket euch? |
Evangelist.
Drauf rief der gantze Raht zugleich: |
Chor.
Er hat den Tod verdient. |
Aria.
ERweg, ergrimmte Nattern=Bruht,
Was deine Wuht und Rachgier thut,
Den Schöpffer will ein Wurm verderben;
Ein Mensch bricht über GOtt den Stab,
Dem Leben sprecht ihrs Leben ab,
Des Todes Tod soll durch euch sterben!
Erweg etc. |
Evangelist.
Die Nacht war kaum vorbey,
Die müde Welt lag noch im Schlaff versenckt,
Als JEsus abermal in Ketten eingeschränckt,
Und mit abscheulichem Geschrey,
Ward nach Pilatus hingerissen. |
Tochter Zion
Hat dieß mein Heiland leiden müssen?
Für wen? ach GOtt! für wen? für wessen Sünden
Läst er sich binden?
Für welche Fehler, was für Schulden,
Muß er der Schergen Frevel dulden?
Wer hat, was JEsus büßt, gethan?
Nur ich bin Schuld daran. |
Aria.
MEine Laster, sind die Stricke,
Seine Ketten, meine Tücke,
Meine Sünden binden ihn,
Diese trägt er mich zu retten,
Damit ich der Höllen Ketten
Möcht entfliehn. |
SOLILOQVIO.
Judas.
O was hab ich verfluchter Mensch gethan!
Rührt mich kein Strahl?
Will mich kein Donner fällen?
Brich, Abgrund, brich,
Eröffne mir die düstre Bahn
Zur Höllen.
Doch ach! die Höll erstaunt ob meinen Thaten,
Die Teufel selber schämen sich,
Ich Hund, hab meinen GOtt verrahten. |
Aria.
LAst diese That nicht ungerochen,
Zerreist mein Fleich, zerquetscht die Knochen,
Ihr Larven jener Marter=Höle!
Strafft mit Flammen, Pech und Schwefel,
Meinen Frevel,
Daß sich die verdammt Seele
Ewig quäle! |
Unsäglich ist mein Schmertz, unzählbar meine Plagen;
Die Lufft beseufftzt, daß sie mich hat genährt;
Die Welt, dieweil sie mich getragen,
Ist bloß darum verbrennens wehrt;
Die Sternen werden zu Cometen,
Mich Scheusahl der Natur zu tödten;
Dem Cörper schlägt die Erd' ein Grab,
Der Himmel meiner Seel den Wohn=Platz ab.
Was fang ich dann,
Verzweiffelter verdammter Mörder an?
Eh ich mich soll so unerträglich kräncken,
Will ich mich hencken. |
Aria .
Tochter Zion.
DIe ihr GOttes Gnad versäumet,
Und mit Sünden Sünden häufft,
Dencket, daß die Straff schon keimet,
Wann die Frucht der Sünden reifft. |
Evangelist.
Wie nun Pilatus JEsum fragt,
Ob er der Juden König wär?
Sprach Er: JEsus. Du hasts gesagt. |
Chor.
Bestraffe diesen Übelthäter,
Den Feind des Kaisers, den Verrähter. |
Pilatus.
Hast du denn kein Gehör?
Vernimmst du nicht, wie hart sie dich verklagen?
Und wilt du nichts, zu deiner Rettung, sagen? |
Evangelist.
Er aber sagte nichtes mehr. |
Aria. a 2.
Tochter Zion.
Sprichst Du denn auf dieß Verklagen,
Und das spöttische Befragen,
Ewig Wort, kein eintzig Wort? |
JEsus.
Nein, Ich will euch itzo zeigen,
Wie ich wiederbring durch Schweigen
Was ihr durchs Geschwätz verlohrt. |
Evangelist.
Pilatus wunderte sich sehr,
Und weil von den Gefangnen auf das Fest,
Er einen pflegte loß zu zehlen,
Bemüht er sich aufs Best,
Daß sie von Ihm und Barrabas,
Der wegen eines Mords gefangen saß,
Doch mögten JEsus wehlen;
Allein der Hauffe rieff mit greßlichem Geschrey: |
Chor.
Nein diesen nicht, den Barrabas gibt frey. |
Pilatus.
Was fang ich dann,
mit eurem so genannten König an? |
Chor.
Weg! laß ihn creutzigen. Pilatus. Was hat Er denn gethan? |
Chor. Weg! laß Ihn creutzigen. Evangelist. Wie er nun sah,
Daß dieß Getümmel nicht zu stillen,
So rieff er endlich: Ja!
Und übergab ihn ihren Willen. |
SOLILOQVIO.
Tochter Zion.
BEsinne dich, Pilatus, schweig, halt ein,
Vermeide doch der Höllen Schwefel=Flammen,
Soll GOttes Sohn von dir verurtheilt seyn?
Willst du Verdammter, GOtt verdammen?
Will deine freche Grausamkeit,
Der todten Welt ihr Leben,
Der Engel Lust, den Herrn der Herrlichkeit,
Verworffnen Schergen übergeben? |
Arioso.
Dein Bähren=Hertz ist Felsen=hart,
Solch Urtheil abzufassen.
Soll GOtt erblassen?
Ich wundre mich, du Zucht der Drachen,
Daß dir in dem verfluchten Rachen,
Die Zunge nicht erschwartzet und erstarrt. |
Evangelist.
Drauf zerreten die Kriegs=Knecht ihn hinein,
Und rieffen, ihre Wuht mehr anzuflammen,
Die gantze Schaar zusammen,
Die bunden ihn an einen Stein,
Und geisselten den zarten Rücken
Mit Nägel=vollen Stricken. |
SOLILOQVIO.
Arioso.
Die gläubige Seele.
Ich seh' an einen Stein gebunden,
Den Eckstein, der ein Feuer=Stein
Der ew'gen Liebe scheint zu seyn;
Denn, aus den Ritzen seiner Wunden,
Weil er die Gluht im Busen trägt,
Seh ich, so offt man auf ihn schlägt,
So offt mit Strick und Stahl die Schergen auf ihn dringen,
Aus jedem Tropffen Blut der Liebe Funcken springen. |
Die Tieger, keine Menschen seyn;
Doch der verfluchte Strauch ist taub;
Hör, wie mit knirschendem Geräusch,
Sein Drachen=Zähnen gleiches Laub,
Durchdringet Sehnen, Adern, Fleisch. |
Drum, Seele, schau mit ängstlichem Vergnügen,
Mit bittrer Lust und mit beklemmten Hertzen,
Dein Himmelreich in Seinen Schmertzen,
Wie dir auf Dornen, die ihn stechen,
Des Himmels Schlüssel=Blumen blühn,
Du kanst der Freuden Frucht von seiner Wermuht brechen.
Schau, wie die Mörder ihm auf seinem Rücken pflügen
Wie tieff, wie grausam tieff sie ihre Furchen ziehn,
Die Er mit Seinem Blut begiesset,
Woraus der todten Welt des Lebens Erndt' entspriesset,
Ja, ja! aus JEsus fliesset
Ein Balsam, dessen Wunder=Krafft
Von solcher seltnen Eigenschafft,
Daß er sein eigne nicht, nur fremde Wunden heilet,
Und Leben, Lust und Trost, ihm selbst den Todt ertheilet. |
Aria.
DEm Himmel gleicht sein bunt=gestriemter Rücken,
Den Regen=Bögen ohne Zahl
Als lauter Gnaden= Zeichen, schmücken;
Die (da die Sünd=Fluht unsrer Schuld verseiget)
Der holden Liebe Sonnen=Strahl
In seines Blutes Wolcken, zeiget. |
Evangelist.
Wie nun das Blut mit Ströhmen von ihm rann,
Da zogen sie ihm einen Purpur an,
Und krönten iIhn, zu desto grösserm Hohn,
Mit einer Dornen= Krohn. |
SOLILOQVIO.
Aria.
Tochter Zion.
Die Rosen krönen sonst der rauhen Dornen Spitzen,
Wie kömts, daß hier ein Dorn die Sarons=Rose krönt?
Da auf die Rosen sonst Aurora Perlen thränt,
Fängt hier die Rose selbst Rubinen an zu schwitzen.
Ja wohl erbärmliche Rubinen!
Die aus geronnen Blut auf JEsus Stirne stehn!
Ich weiß, ihr werdet mir zum Schmuck der Seelen dienen;
Und dennoch kan ich euch nicht ohne Schrecken sehn. |
Verwegner Dorn, Barbarsche Spitzen,
Verwildert Mord=Gesträuch, halt ein!
Soll dieses Hauptes Elffenbein
Dein spröder Stachel gantz zerritzen?
Verwandelt euch vielmehr in Stahl und Klingen,
Durch dieser Mörder=Hertz zu dringen,
Die Tieger, keine Menschen seyn;
Doch der verfluchte Strauch ist taub;
Hör, wie mit knirschendem Geräusch,
Sein Drachen=Zähnen gleiches Laub,
Durchdringet Sehnen, Adern, Fleisch. |
Aria.
LAß doch diese herbe Schmertzen,
Frecher Sünder, dir zu Hertzen,
Ja durch Marck und Seele gehen.
Selbst die Natur fühlt Schmertz u. Grauen,
Ja sie empfindet jeden Stich,
Da sie der Dornen starre Klauen,
So jämmerlich,
In ihres Schöpffers Haupt sieht eingedrücket stehn.
Lass doch etc. |
Die zarten Schläffe sind biß ans Gehirne
Durchlöchert und durchbohrt,
Schau, Seele, schau,
Wie von der Göttlich=schönen Stirne,
Gleich einem Purpur=farbnen Thau,
Der vom gestirnten Himmel sich ergiest,
Ein lauer Bach von blutgem Purpur fliest. |
Aria.
Jesu, dich mit unsern Seelen,
Zu vermählen,
Schmiltzt dein liebend Hertz vor Liebe;
Ja, du giessest in die Gluht,
Statt des Oels, für heisse Triebe,
Dein von Liebe wallend Blut. |
Evangelist.
Drauf beugten sie
Aus Spott vor Ihm die Knie,
Und fingen lachend an zu schreyen: |
Chor.
Ein jeder sey ihm unterthänig:
Gegrüsset seyst du Juden=König! |
Evangelist.
Ja scheueten sich nicht, ihm ins Gesicht zu speien. |
Aria.
Tochter Zion.
SChäumest du, du Schaum der Welt?
Speit dein Basilisken Rachen,
Bruht der Drachen,
Dem der alle Ding erhält,
Schleim und Geifer ins Gesicht,
Und die Höll verschlingt dich nicht? |
Evangelist.
Worauf sie mit dem Rohr, das Seine Hände trugen.
Sein schon Blut=rünstig Haupt zerschlugen. |
SOLILOQVIO.
Tochter Zion.
Bestürtzter Sünder, nimm in acht
Des Heilands Schmertzen, komm, erwege!
Wie durch die Hefftigkeit der Schläge
Die Beulen=volle Scheitel kracht,
Wie sie sein heilges Hirn erschellen,
Wie seine Tauben=Augen schwellen,
Schau, sein zerraufftes Haar,
Das vor mit Thau gesalbt und voller Locken war,
Ist itzt von Eyter naß, und klebt von dickem Blut,
Dieß alles duldet er, bloß dir zu gut. |
Aria.
HEil der Welt, dein schmertzlich leiden,
Schreckt die Seel' und bringt ihr Freuden,
Du bist ihr erbärmlich schön.
Durch die Marter, die dich drücket,
wird sie ewiglich erquicket,
Und ihr graut dich anzusehn.
Heil der Welt, etc. |
Evangelist.
Wie man ihm nun genug
Verspottung, Quaal und Schmach hatt' angethan;
Riß man ihm ab den Purpur, den er trug,
Und zog ihm drauf sein' eigne Kleider an;
Und endlich führeten sie ihn,
Daß sie ihn creutzigten, zur Schädelstätte hin. |
Aria. Mit dem Chor der gläubigen Seelen.
Tochter Zion.
EIlt, ihr angefochtne Seelen,
Geht aus Achsaphs Mörder=Hölen,
Kommt! Chor. Wohin? Tocht. Z. nach Golgatha,
Nehmt des Glaubens Tauben=Flügel,
Fliegt! Chor. Wohin? Tocht. Z. zum Schädel=Hügel,
Eure Wohlfahrt blühet da.
Kommt! Chor. Wohin? Tocht. Z. Nach Golgatha. |
SOLILOQVIO.
Maria.
ACh GOtt! Ach GOtt! mein Sohn
Wird fort geschleppt, wird weggerissen!
Wo führt ihr Ihn, verruchte Mörder, hin?
Zum Tode wie ich mercke:
Hab ich denn seinen Tod erleben müssen?
Gekränckte Mutter die ich bin!
Wie schwer ist meines Jammers Last!
Es dringt ein Schwerdt durch meine Seele,
Mein Kind, mein HErr, mein GOtt erblast!
Ist dann für so viel Wunder=Wercke,
Nunmehr das Creutz sein Lohn?
Ach Gott! Ach GOtt! mein Sohn! |
Aria. à 2.
SOll mein Kind, mein Leben sterben?
Und vergiest mein Blut sein Blut? |
JEsus.
Ja, der Welt sterb ich zu gut,
Ihr den Himmel zu erwerben. |
Evangelist.
Und er trug selbst sein Creutz. Tocht. Z. Ach herbe Plagen!
Ach Marter, die man nicht erwegen kan!
Must Du mein Heiland, dann
Das Holtz, das dich bald tragen soll, selbst tragen?
Du trägst es, ja, und niemand hört dich klagen! |
Aria.
ES scheint, da den zerkerbten Rücken
Des Creutzes Last, der Schergen Ungestüm
Zu Boden drücken,
Er dancke mit gebognen Knien,
Dem grossen Vater, daß er ihm
Das lang=verlangte Creutz verliehen. |
Evangelist.
Wie sie nun an die Städte, Golgatha mit Nahmen,
Mit JESU kamen;
Wurd Er mit Gall und Wein getränckt,
Und endlich gar ans Creutz gehenckt. |
SOLILOQVIO.
Aria.
Eine Gläubige Seele.
HIer erstarrt mein Hertz und Blut!
Hier erstaunen Seel und Sinnen!
Himmel, was wolt ihr beginnen!
Wisst ihr Mörder, was ihr thut?
Dürfft ihr Hund', ihr Teufel, wagen?
GOttes Sohn ans Creutz zuschlagen?
O Anblick! O entsetzliches Gesicht!
Wie scheußlich wird mein Seelen=Bräutigam,
Von diesen Bütteln zugericht!
Itzt reissen sie das unbefleckte Lamm,
Wie Tieger, voller Wuht, zur Erden.
Ach schau! itzt fängt man an, mit greßlichen Gebehrden,
Ihm Hand und Fuß, ihm Arm und Sehnen
Erbärmlich auszudehnen,
Mit Stricken auszuzerrn, mit Nägeln anzupflöcken;
Daß man an Ihm fast alle Beine zehlt.
Ach GOtt! Ich sterbe schier vor Schrecken,
Und werde fast, durchs blosse seh'n, entseelt! |
Choral der Christl(ichen) Kirche.
O Traurigkeit, o Hertzeleid. v. 3. |
Evangelist.
So bald Er nun gecreutzigt war,
Da losete die Schaar
Der Krieges=Knecht um sein Gewand,
Und über seinem Haupte stand:
Der Juden König: angeschrieben;
Und die vorüber gingen,
Die lästerten und trieben
Gespött mit ihm, wie auch die bey ihm hingen:
|
Chor.
Pfui! Seht mir doch den König an!
Bistu ein solcher Wunder=Mann,
|
(Chor) Der Juden.
So steig herab vom Creutz, |
(Chor) Der Mörder.
So hilff Dir selbst und uns, |
Beyde: So wissen wirs gewiß. |
Evangelist.
Und eine dicke Finsterniß,
Die nach der sechsten Stund entstand,
Kam übers gantze Land. |
Aria.
Gläubige Seele.
WAs Wunder! daß der Sonnen Pracht,
Daß Mond und Sterne nicht mehr funckeln,
Da eine falbe Todes=Nacht
Der Sonnen Sonne will verdunckeln. |
Evangelist.
Dieß war zur neundten Stund'; und bald hernach
Rieff JEsus laut, und sprach:
Eli! Eli! Lama Asaphtani!
Das ist in unsrer Sprach zu fassen:
Mein GOtt! mein GOtt! wie hast du mich verlassen!
Darnach wie ihm bewust, daß alles schon vorbey,
Rieff er mit lächtzendem Geschrey:
Mich dürst! |
Arioso.
Gläubige Seele.
Mein Heiland, HErr und Fürst!
Da Peitsch und Ruten dich zerfleischen,
Da Dorn und Nagel dich durchbohrt,
Sagst du ja nicht ein eintzig Wort:
Itzt hört man dich zu trincken heischen,
So wie ein Hirsch nach Wasser schreit.
Wornach mag wohl den Himmels=Fürsten,
Des Lebens=Wassers Quelle, dürsten?
Nach unsrer Seelen Seligkeit! |
Evangelist.
Drauf lief ein Krieges=Knecht hin, der einen Schwam
mit Eßig angefüllet nahm,
Den steckt er auf ein Rohr,
Und hielt ihn ihm zu trincken vor.
Hierauf rief JEsus laut mit gantzer Macht:
Es ist vollbracht! |
Terzetto.
Gläubige Seelen
O Donner=Wort! o schrecklich Schreyen!
O Thon, den Tod und Hölle scheuen!
Der ihre Macht zu Schanden macht. /
O Schall! der Stein und Felsen theilet,
Wovor der Teuffel bebt und heulet,
Wovor der düstre Abgrund kracht!
Es ist vollbracht! |
2.
O seeligs Wort! o heilsam Schreyen!
Nun darffst du Sünder nicht mehr scheuen
Des Teuffels und der Höllen Macht.
O schall! der unsern Schaden heilet,
Der uns die Seeligkeit ertheilet,
Die GOtt uns längst hat zugedacht!
Es ist vollbracht!
O seelig, wer diß glaubt!
Und wer, wann seine Noht am grösten,
Sich dieser Worte kan getrösten! |
Evan.
Drauf neiget er sein Haupt. |
Aria à 2. Mit einer gläubigen Seele.
Tochter Zion.
SInd meiner Seelen tieffe Wunden
Durch Deine Wunden nun verbunden?
Kan ich durch Deine Quaal und Sterben
Nunmehr das Paradieß ererben?
Ist aller Welt Erlösung nah? |
Gläubige Seele.
Dieß sind der Tochter Zion Fragen;
Weil JEsus nun nichts kan vor Schmertzen sagen,
So neiget er sein Haupt, und wincket: Ja! |
Tochter Zion.
O Großmuht! o erbarmendes Gemüht! |
Evangelist.
Und er verschied. |
Aria.
BRich brüllender Abgrund, zertrümre, zerspalte!
Zerfall, zerreiß du Kreiß der Welt!
Erzittert ihr Sternen, ihr himmlischen Kreise,
Erschüttert, und hemmet die ewige Reise!
Du helle Sonn', erlisch, erkalte!
Sein Licht verlischt, und eure Stütze fällt.
Brich brüllender Abgrund etc.
Ja! Ja! Es brüllet schon in unter=irrdschen Grüfften.
Es kracht bereits der Erden=Grund,
Des finstern Abgrunds schwartzer Schlund,
Erfüllt die Lufft mit Schwefel=Düfften. |
Haupt=Mann.
Hilff Himmel! was ist dis?
Ihr Götter, wie wird mir zu Muht?
Es fällt die Welt in schwartzer Finsterniß,
In Dufft und Nebel schier zusammen.
O Weh! der Abgrund kracht und speiet Dampff und Gluht,
Die Wolcken schüttern Blitz, die Lufft gebieret Flammen,
Der Felß zerreist, es bersten Berg und Stein.
Solt JEsus Tod hieran wohl Ursach seyn?
Ach ja! Ich kan aus allen Wundern lesen:
Der Sterbende sei GOttes Sohn gewesen. |
Aria.
Wie kömmts, daß, da der Himmel weint,
Da seine Klüffte zeigt des blinden Abgrunds Rachen,
Da Berge bersten, Felsen krachen,
Mein Felsen=Hertz sich nicht entsteint?
Ja, ja, es klopfft, es bricht, sein Sterben
Reist meine Seel aus dem Verderben. |
Accompagnement.
Gläubige Seele.
Bey JEsus Todt und Leiden, leidet
Des Himmels Kreiß, die gantze Welt:
Der Mond, der sich in Trauer kleidet,
Gibt Zeugniß daß sein Schöpffer fällt;
Es scheint, ob lesch' in JEsus Blut,
Das Feur der Sonnen Strahl und Gluht.
Man spaltet ihm die Brust, die kalten Felsen spalten,
Zum Zeichen, daß auch sie den Schöpffer sehn erkalten.
Was thust dann du mein Hertz? Ersticke, GOtt zu Ehren,
In einer Sündfluth bittrer Zähren. |
Choral der Christl(ichen) Kirche.
Wann mein Stündlein verhanden ist. v. 2. |
Aria.
WIsch ab der Thränen scharffe Lauge,
Steh, seelge Seele, nun in Ruh!
Sein ausgesperrter Arm, und sein geschlossen Auge,
Sperrt dir den Himmel auf, und schliest die Hölle zu. |
Schluß=Choral der Christlichen Kirchen.
Wann mein Stündlein etc. v. 3. |
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Contributed by Marc-Roderich Pfau (September 2018) |
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